Lernen lassen oder selber denken?

In den vergangenen Jahren hat die Nutzung von künstlicher Intelligenz auch in der Schule stark zugenommen. Künstliche Intelligenzen, wie ChatGPT, DeepL, Google Gemini oder Photomath werden von immer mehr Schülerinnen und Schülern verschiedener Jahrgangsstufen für Matheaufgaben, Aufsätze, Übersetzungen, Vorträge oder zur Testvorbereitung genutzt.
Auf den ersten Blick scheinen diese Möglichkeiten eine echte Erleichterung im Lernprozess zu sein, jedoch bringt diese Entwicklung auch neue Probleme mit sich. Viele Schülerinnen und Schüler übernehmen die Antworten der KI, ohne zu überprüfen, ob diese wirklich korrekt, vollständig oder für die entsprechende Aufgabe geeignet und zutreffend sind. Da die KI-Programme einfach zu bedienen sind, in wenigen Sekunden Antworten zu komplexeren Themen haben und die Ergebnisse oft überzeugend klingen, übernehmen viele die Antworten, ohne diese zu kontrollieren. Dabei vergessen sie häufig jedoch, dass Künstliche Intelligenzen Fehler machen, es ist möglich, dass sie wichtige Zusammenhänge übersehen und Inhalte nur oberflächlich wiedergeben oder Wortfolgen nicht sinnvoll übersetzen.

Wenn sich Schülerinnen und Schüler zu sehr auf Künstliche Intelligenz verlassen, besteht die Gefahr, dass sie Lernkompetenzen, kritisches Denken und die Fähigkeit zur eigenständigen, sowie lösungsorientierten Problemlösung verlieren. Deshalb ist es wichtig, sich zu fragen, ob die Nutzung von KI das Lernen jüngerer Menschen fördert oder der wachsende Einsatz fortlaufend zum Ersatz des eigenen Denkens und verminderten Problemlösungsfähigkeiten führt?

Lernende vs. ChatGPT

Ein Mathe-Experiment zeigt, auf welchem Niveau Künstliche Intelligenz einen Test, in diesem Fall einen Mathetest, bearbeitet. Dafür hat ChatGPT dieselben fünf verschiedenen Aufgabenblöcke, auf 11. Klasse-Niveau, gelöst, wie 10 Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse. Bei drei dieser Aufgabenblöcke schnitt die KI besser ab, als der Durchschnitt der Testgruppe. Insgesamt unterliefen der KI nur drei Fehler. Werden jedoch die Fehlerpunkte der Tests der Testgruppe einzeln betrachtet und nicht im Gesamtdurchschnitt, zeigt sich, dass acht Schülerinnen und Schüler mindestens genauso gut wie ChatGPT abgeschnitten haben, einige sogar besser. Das zeigt, dass der menschliche Verstand und das menschliche Denken mit der Künstlichen Intelligenz mithalten kann oder besser ist. Das Experiment zeigt deutlich, dass ChatGPT Fehler macht, die die Schüler nicht gemacht haben.

Größere Unterschiede lassen sich jedoch im Lösungsweg feststellen. Die Schülerinnen und Schüler haben für die Bearbeitung der Tests etwa acht bis zehn Minuten benötigt. Im Vergleich dazu, hatte ChatGPT vollständige Lösungswege in wenigen Sekunden.
Außerdem hatten die Schülerinnen und Schüler einen deutlich größeren Aufwand, da sie sich einerseits mithilfe ihrer Aufzeichnungen vorbereiten mussten und außerdem mussten sie Hilfsmittel, wie den Taschenrechner, bedienen können. ChatGPT hingegen verfügt über eine enorme Datenmenge und somit in kürzester Zeit über alle Formeln und Zusammenhänge zwischen verschiedenen Themen, ohne vorherige Vorbereitung.

Vorteile Künstlicher Intelligenz

KI-Programme wie ChatGPT können das Lernen unterstützen. Indem sie beispielsweise komplexere Themen schneller erklären, Lösungswege verständlich und nachvollziehbar darstellen und Themen an Beispielaufgaben bearbeiten. Außerdem können gezielt Nachfragen zu einzelnen Schritten oder Unterthemen gestellt werden, auf die es eine schnelle und genaue Antwort gibt. Ein weiterer Vorteil ist, dass KI zu jeder Uhrzeit verfügbar ist. Deshalb können sich Schülerinnen und Schüler zu jeder Uhrzeit mit individuellen Lerninhalten auseinandersetzten.

Gefahren durch KI

Jedoch macht die KI auch Fehler, wie das Experiment beispielhaft zeigt. Das bedeutet, dass ohne entsprechende Kontrolle und durch blindes Übernehmen von Lösungen das selbstständige Denken und die Problemlösungsfähigkeiten vermindert werden. Wenn beispielsweise ein Text nur von künstlicher Intelligenz geschrieben wurde, ohne das Endergebnis auf seine Richtigkeit zu überprüfen oder entsprechend anzupassen, lernen Schülerinnen und Schüler weder eigene Gedankengänge zu entwickeln und zu erweitern, noch den entsprechenden Texttyp zu schreiben oder ihr Sprach- und Rechtschreibkenntnisse zu verbessern. Das gleiche Problem entsteht bei KI-generierten Lösungen in der Mathematik. Wenn Schülerinnen und Schüler nicht lernen, Rechenwege ordentlich und nachvollziehbar darzustellen, werden sie es sich nachhaltig nicht merken.


Die Fähigkeiten, die durch KI eingeschränkt und fortlaufend vermindert werden, benötigen wir jedoch. Sowohl in unserem Schulalltag, als auch in unserer Freizeit ist selbstständiges Denken und problemlösungsorientiertes Handeln wichtig und überlebensnotwendig. An Zeitpunkten, an denen kein Zugang zu künstlicher Intelligenz möglich ist, wie beispielsweise in Klausuren, Klassenarbeiten, Tests oder dem Abitur, benötigt jeder diese Fähigkeiten. Das bedeutet, wer selbst gerechnet und sich vorbereitet hat, hat ein tieferes Verständnis entwickelt und das Vorgehen, sowie Formeln sind nachhaltiger gemerkt worden. Wer hingegen nur die KI-Lösungen übernimmt, läuft Gefahr, dass das eingenständige Denken eingeschränkt wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der richtige und überlegte Einsatz von KI uns helfen kann. Solange KI als Hilfsmittel und Werkzeug angesehen wird und nicht als Ersatz des Lernens, ersetzt dieses nicht das eigene Denken oder die Problemlösungsfähigkeiten des Menschen. Wenn Künstliche Intelligenz jedoch ohne Kontrolle und ohne Hinterfragen genutzt wird, werden beide Fähigkeiten mit fortschreitende Zeit immer weiter eingeschränkt. Ein sinnvollerer und verantwortungsbewusster Umgang mit der KI wäre, wenn ein generierter Text als Anfangsgrundlage genutzt wird. Daraufhin muss dieser geprüft und überarbeitet werden. Das gilt sowohl für Texte für den Deutschunterricht, als auch für Texte in den Fremdsprachen, die durch Übersetzter-Tools generiert wurden. Künstliche Intelligenz ist somit ein Hilfsmittel, aber kein Ersatz des eigenen Denkens.

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